HERZENSSACHE

Hintergrund

Mein Verständnis über personale Entwicklung basiert methodisch auf den Fundamenten der Humanistischen Psychologie (Carl Rogers u.a.) und dem von Wilhelm Reich überzeugend dargestellten Verständnis, dass jedes Lebewesen genau dann lebendig ist, wenn es einen Kontakt zwischen dem Außen und sich selbst herzustellen vermag. Der Mensch als lebendiger Organismus ist Teil des lebendigen Organismus Erde.

Seit vielen Jahren verfolge ich überdies mit großer Freude und forschendem Interesse, wie sich eine sanfte Integration des buddhistischen Menschenbildes in die westliche Psychotherapie zu vollziehen scheint. Dies drückt sich heute in der expliziten Einbeziehung von Achtsamkeit, Mitgefühl und Selbst-Mitgefühl in vielen westlichen Therapieverfahren aus.

Anliegen

Therapeutische Arbeit versucht seit jeher einen Beitrag für die Verringerung von Leiden zu leisten.

Das war schon mein Credo als junger Sozialarbeiter und das ist auch mein Kernanliegen geblieben, wenn ich heute über therapeutische Interventionen nachdenke oder Achtsamkeitskurse halte.

In der hier vorliegenden, sehr persönlichen Sammlung finden sich einige Bausteine, die mir auf meinem persönlichen Weg bisher hilfreich waren, gewissermaßen ans Herz gewachsen sind und von denen ich glaube, dass sie vielleicht auch für andere von Nutzen sein können.

Empfindsamkeit

„Sei für alles im Leben empfindsam, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Sei empfindsam.

Unempfindlichkeit führt zu Gleichgültigkeit und nichts ist schlimmer als Gleichgültigkeit.

Gleichgültigkeit lässt einen Menschen sterben, bevor er tot ist.

Gleichgültigkeit bedeutet, dass sich Apathie einstellt und du Schönheit, Freundschaft, Güte und alles andere nicht mehr wertschätzt.

Empfindsamkeit schließt ein, sie schließt nichts aus.

Wenn du empfindsam bist, dann bist du für alles empfindsam.

Du kannst nicht sagen, du bist nur für einen bestimmten Menschen empfindsam und für andere nicht.

Das ist nicht nur kontraproduktiv, sondern unsinnig.

Du solltest nicht nur wegen der Religion oder wegen sozialer oder medizinischer Probleme empfindsam sein.

Es gibt nichts Inspiriererendes für einen Menschen, als ein empfindsamer Mensch zu sein.

Denn dann hörst du zu. Du gehst in die Welt und du hörst die Vögel zwitschern und es ist wundervoll.

Du siehst jemanden auf der Straße, du kennst sein Gesicht nicht und denkst: „Wer kennt das Geheimnis, das dieser Mensch in sich trägt?“

Elie Wiesel, 1928 – 2016, Holocaust-Überlebender und Friedensnobelpreisträger 1986 für seinen Kampf gegen Gewalt und Rassismus.


Emotionale Intelligenz
Unser Gefühlsleben stellt sich für viele Menschen wie eine schwer zu lesende Landkarte dar. Es folgt keiner Logik und will dennoch verstanden werden. Es ist nicht immer leicht zu kontrollieren und im Allgemeinen auch schwer zu kultivieren.

Um zu einem angemessenen Umgang mit schwierigen Emotionen wie z. B. Neid, Zorn, Eifersucht oder Hass zu gelangen, braucht es vor allem die Pflege des Mitgefühls. Wenn wir unsere Gefühle gut kennen, ist ein situationsadäquater Umgang mit ihnen möglich. Wir werden uns eines schwierigen Gefühls bewusst und können noch in der Situation einen heilsamen Umgang damit versuchen. So bauen wir emotionale Intelligenz auf:

Ich habe ein Gefühl, das unangenehm oder schwierig sein kann, diesem Gefühl räume ich aber keine Macht über mich ein. Es bleibt ein heilsamer Abstand gewahrt.

Echtes Mitgefühl erwächst aus Achtsamkeit, es unterscheidet sich deutlich von spontaner Gefühlsansteckung, wie sie etwa in Mitleid zum Ausdruck kommt.


Flow

Der Begriff Flow stammt vom Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi, der damit das Gefühl des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit meint. Wenn wir im Flow sind, sind unser Fühlen, unser Wollen und unser Denken in völliger Übereinstimmung. Wir bewegen uns in diesen Augenblicken in einem zeitlosen Raum – Glück pur. So geschieht hingebungsvolles Tun mit Leichtigkeit und morgen wird heute gestern sein.

 

 

 


Gänsehautmomente

Gänsehautmomente (oder magic moments) sind für mich jene seltenen Augenblicke, wo zwischen zwei Menschen spontane authentische Begegnung stattfindet, wo sich für Sekunden Herzen öffnen und Seelen berühren dürfen.

Der Augenblick macht was mit uns
In dem Film „Boyhood“ gibt es eine wunderbare Szene, wo Richard Linklater sagt:
„Weißt du, alle sagen doch immer: Mach was aus deinem Leben, mach was aus jedem Augenblick. Aber ich weiß nicht, irgendwie glaube ich, es ist andersrum. Der Augenblick macht was mit uns.“


Aufschreiben

Manchmal rate ich dazu, Erlebtes für sich aufzuschreiben. Schreiben kann helfen, traumatische Erfahrungen, die einen zu überfluten drohen, wieder auf einen erträglichen Abstand zu bringen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Hilfe in Krisenzeiten oft nur in sehr kleinen Dosen akzeptiert werden kann, denn die Furcht vor einem Verlust der persönlichen Würde ist meist sehr groß.


Vertrauen

„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“
(Antoine de Saint – Exupèry, 1900 – 1944, Schriftsteller und Flieger.)

„Zu viel Vertrauen ist häufig eine Dummheit, zu viel Misstrauen ist immer ein Unglück.“
(Johann Nepomuk Nestroy)

 

 

 

 

 

 


Wahrheit

„Die Wahrheit muss in Beziehung gelebt werden, sie kann nicht in physischer Isolation gelebt werden. Wir können sie schätzen, wir können über sie reden, aber das bedeutet nicht, dass wir sie leben …

… Es ist einfach, die Wahrheit wahrzunehmen, aber es ist sehr schwer, sie im eigenen Leben zu verwirklichen. Es nicht zu tun, ist dann wie eine nicht vollzogene Ehe“.

Vimala Thakar, Autorin von „Kraft der Stille“


Weltschmerz – suadade

Es gibt ein Leiden am Zustand unserer Welt, das keineswegs krankheitswertig ist: Wer über den Zustand der Welt verzweifelt ist oder sich angesichts vieler Bedrohungen um die Zukunft seiner Kinder, Enkelkinder oder des Planten sorgt, ist noch lange nicht krank. Vielmehr verdienen solche Gestimmtheiten Aufmerksamkeit und freundliches Interesse, denn in ihnen liegt viel Liebe und Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl verborgen.

Daneben gibt es auch sanfte Schattierungen von Melancholie, die Ausdruck eines Lebensgefühls sein können, wie es etwa in dem portugiesischen Begriff „suadade“ und der Fado – Musik zum Ausdruck kommt, womit in etwa die Sehnsucht nach etwas Verlorenem oder innerlich Vermisstem beschrieben wird, von dem man weiß, dass es niemals wiederkehren wird.

Solche Gefühle sind vielen Menschen eigen, sie gehören in kein psychiatrisches Diagnoseschema. Im Rahmen von Einzelsitzungen zur Selbsterfahrung geben wir vielmehr Lebensfragen wie diesen gebührend Raum, um den gewohnten Umgang mit diffizilen Emotionen dieser Art zu erforschen.


Kristallklarer Geist

Kristall ist ein Synonym für perfekte Transparenz und helle geistige Leuchtkraft. Ein kristallklarer Geist ist ein unbestechlicher, hoch entwickelter, eigenständiger – mit Kanten versehener – Geist. Persönlich ziehe ich den Begriff „kristallklar“ für hoch entwickeltes Bewusstsein dem buddhistisch geprägten Begriff von „Erleuchtung“ vor.

 

 

 

 

 

 


Scheitern

Scheitern gehört zum Leben. Die Geschichte von Sir Ernest Shakleton, der mit seinem Schiff, der Endurance, 1914 beim Versuch als erster Mensch das arktische Meer zu durchqueren, scheiterte, ist dafür ein großartiges, faszinierendes Beispiel: Sein Schiff zerbarst im Packeis und ein Teil seiner Mannschaft blieb auf einer Eisscholle zurück, während er selbst mit 7 Männern in einem kleinen Beiboot aufbrach, um Hilfe zu holen. Zwei Jahre später war das Leben der Mannschaft gerettet, niemand ist zu Tode gekommen. Deshalb gilt diese Expedition heute auch als Erfolgsgeschichte, obwohl die ursprünglichen Ziele nicht erreicht wurden. Das neue Ziel hatte das alte in den Hintergrund rücken lassen.

 

 

 

 

 

Happiness is only real when shared.